Notenfresser

Eine Oper ohne Musik, ein Konzert, in dem kein einziger Ton erklingt – ein Widerspruch in sich, wie eine Gemäldegalerie ohne Bilder und Farbe? Paradox und – unvorstellbar?

Was wäre ein Leben ohne Musik?

In ihrer jüngst erschienenen All Age Fantasy-Erzählung »Notenfresser« geht die Musikerin und Musikwissenschaftlerin Dr. Angelika Varga-Behrer in ebenso fesselnder wie eindringlicher Weise auf diese zentrale, in alle Lebensbereiche ausstrahlende Fragestellung ein.

Eigentlich hat der 12-jährige Internatsschüler Peter, nicht anders als seine gleichaltrige Kameradin Pauline, nur den sehnlichen Wunsch, ein großer Musiker zu werden. Dafür nehmen die beiden nicht nur den Spott der Mitschüler in Kauf, sondern auch allerlei Strapazen auf sich – von täglichem, ausdauerndem Üben bis zum unerlaubten Verlassen des Schlossgeländes, um sich heimlich zum Geigen- und Klavierunterricht bei dem Ausnahme-Musiker Maximus zu schleichen.

Doch alles kommt anders als erwartet: Der Ton in der Schule wird merklich rauer, die Welt von Tag zu Tag düsterer; beängstigende Erscheinungen, Wetterkapriolen und Umweltkatastrophen häufen sich mit wachsender Geschwindigkeit. Peters Geige hört sich mit einem Mal dumpf an, als wäre sie am Verstummen, und auch Paulines Klavier klingt wie in Watte gepackt. Diese bedrückende Situation wirft eine Unzahl von Fragen auf – nach den Ursachen dieser unerklärlichen, befremdlichen Entwicklung ebenso wie nach den möglichen Zusammenhängen zwischen den sonderbaren, bedrohlichen Phänomenen.

Die Einzigen, von denen noch eine Antwort zu erhoffen wäre, Peters Vater, ein brillanter Wissenschaftler, und Maximus, ihr getreuer Musiklehrer, Freund und Ratgeber, hüllen sich in Schweigen. Weil die Wahrheit zu grausam wäre, um ihnen offenbart zu werden?

Dann überschlagen sich die Ereignisse: Unbekannte, zerstörerische Mächte treiben ein böses Spiel, und auch die Musik bleibt davon nicht verschont. Unversehens und ohne zu wissen, wie ihnen geschieht, stehen Peter und Pauline vor der nahezu unlösbaren Aufgabe, unter Überwindung zahlreicher, herausfordernder Schwierigkeiten und Hindernisse die Musik in einem ebenso verzweifelten wie aufreibenden Kampf den räuberischen Fängen des nach Macht dürstenden Bösen zu entreißen und den Bann der vernichtenden Gewalt zu brechen …

Die Welt braucht Musik, braucht Kunst und Kultur, um zu sich selbst zu finden – dies ist auf einen kurzen Nenner gebracht das Fazit der vorliegenden Erzählung, die, obgleich in erster Linie an junge Leser gerichtet, daneben vor „erwachsenen“, brandaktuellen Themen nicht Halt macht, auf sinnträchtige Weise in die packende Handlung eingebunden, unideologisch und ohne erhobenen Zeigefinger.

Dass die All Age Fantasy-Erzählung »Notenfresser« unter der spannungsreichen Oberfläche eines Abenteuerromans eine tiefere Botschaft vermittelt, kommt nicht von ungefähr: Als Musikwissenschaftlerin, Musikerin und Witwe des weltbekannten Geigers und Dirigenten Tibor Varga weiß die Autorin um die – vielfach unterschätzte – Bedeutung von Musik. Musik ist kein isoliertes, aus dem Leben abzugrenzendes Phänomen: sie (be)rührt und betrifft uns alle, in mannigfacher Weise. In diesem Sinne gibt sich die Fantasy-Erzählung »Notenfresser« in ihrer eigentlichen Absicht zu erkennen: als eindringliche Parabel, als gleichnishaftes Plädoyer für Musik, Kunst und Kultur, kurz: für das Leben selbst …

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